As Soyuz backup crew, November 2013

Als Backup-Crew im November 2013

Ich wusste, dass es eindrucksvoll und laut werden würde, soviel war klar. Schließlich hatte ich Jahre zuvor das Space Shuttle in den schwarzen Nachthimmel von Cape Canaveral starten sehen. Nur anscheinend vergisst man als Mensch solche Eindrücke leicht.

Da ich als Geophysiker und Vulkanologe jahrelang auf Vulkanen gearbeitet hatte, dachte ich dass mich ein weiterer Raketenstart nicht wirklich mehr beeindrucken könnte, als einen Vulkan aus nächster Nähe explodierten zu sehen – oder vielmehr zu fühlen. Doch eine Komponente habe ich dabei übersehen.

As prime crew the day before our launch

Als Prime Crew einen Tag vor dem Launch

Wenn man als Mannschaft für eine Mission zur Internationalen Raumstation trainiert, dann ist man automatisch Ersatzmannschaft für die Crew, die ein halbes Jahr vor einem fliegt. Aus diesem Grund bin ich im letzten November mit meinen beiden Mannschaftskameraden Max und Reid als sogenannte Backup Crew nach Baikonur geflogen. Zwei Wochen vor dem Start der Hauptmannschaft, der Prime Crew, durchläuft man dort das selbe Quarantäneprogramm und die gleichen Trainingseinheiten, um im Notfall für den Start als Ersatzmannschaft vorbereitet zu sein.

Im Normalfall ist man mit der Prime Crew schon seit Jahren durch gemeinsame Trainingsaufenthalte sehr gut befreundet, was intensiviert wird durch die einzigartige Perspektive die man teilt kurz bevor man diesen Planeten hinter sich lässt und für ein halbes Jahr in den Weltraum fliegt. Isoliert von der Außenwelt dient die Zeit in Baikonur dazu, sich mental auf den Start vorzubereiten, seine Prozedurbücher zu präparieren, letzte Trainingseinheiten zu durchlaufen, sein Raumschiff zu inspizieren und die letzten ‚irdischen‘ Angelegenheiten zu Regeln, zu denen man in zweieinhalb Jahren intensiven Trainings nicht gekommen ist.

Die Wege der Prime und Backup Crew trennen sich erst zwei Stunden vor dem Start, nachdem die Prime Crew ihren Raumanzug angezogen hat und man gemeinsam zur Startrampe der Russischen Soyuz Rakete gefahren ist, die unwirklich im gleißenden Scheinwerferlicht auf der Startrampe steht, von der aus Juri Gagarin einst als erster Mensch die Erde verlassen hat.

An diesem Ort, direkt vor der Rakete, habe ich mich von Mischa, Rick und Koichi mit einem Handschlag verabschiedet und meine Freunde in ihr Raumschiff klettern sehen. In dem Moment ist mir klar geworden, was der Unterschied sein würde, wenn ich diese Rakete mit ihren 26 Millionen PS würde starten und binnen 8 Minuten ins Weltall fliegen sehen. Die Menschen an Bord sind meine Freunde. Die Menschen, mit denen ich heute morgen noch gefrühstückt habe, und denen ich eben noch geholfen habe, ihren Raumanzug anzuziehen, würden heute Abend auf der Internationalen Raumstation zu Abend essen.

Und genau diese Tatsache war es, die den Raketenstart zu einem Erlebnis werden ließ, das ich niemals wieder vergessen werde. Die Erinnerung an den Feuerstrahl, die ohrenbetäubende Lautstärke und die gewaltigen Erschütterungen des Starts sind bereits ein wenig in meinem Gedächtnis verblasst. Was bleibt, ist die Erinnerung an das umwerfende Gefühl, dass in dieser Rakete drei Menschen sitzen, auf dem Weg in den Weltraum.

Es war sehr still im Bus vom Startplatz zurück nach Baikonur. Ein solches Ereignis zu sehen macht uns Menschen offenbar nachdenklich, im positiven Sinne. Wahrscheinlich sind es zu viele Ereignisse in zu kurzer Zeit die es zu verarbeiten gilt. Was mich dann unvorbereitet erwischt hat, war die Begrüßung zurück in unserer Unterkunft in Baikonur: „Herzlich Willkommen an die neue Prime Crew!“. In dem Moment wurde mir bewusst, dass beim nächsten Mal ich derjenige sein werde, der in die Rakete einsteigt.

Our own rocket

Unsere Rakete