Ich wusste, dass es eindrucksvoll und laut werden würde, soviel war klar. Schließlich hatte ich Jahre zuvor das Space Shuttle in den schwarzen Nachthimmel von Cape Canaveral starten sehen. Nur anscheinend vergisst man als Mensch solche Eindrücke leicht.
Da ich als Geophysiker und Vulkanologe jahrelang auf Vulkanen gearbeitet hatte, dachte ich dass mich ein weiterer Raketenstart nicht wirklich mehr beeindrucken könnte, als einen Vulkan aus nächster Nähe explodierten zu sehen – oder vielmehr zu fühlen. Doch eine Komponente habe ich dabei übersehen.
Wenn man als Mannschaft für eine Mission zur Internationalen Raumstation trainiert, dann ist man automatisch Ersatzmannschaft für die Crew, die ein halbes Jahr vor einem fliegt. Aus diesem Grund bin ich im letzten November mit meinen beiden Mannschaftskameraden Max und Reid als sogenannte Backup Crew nach Baikonur geflogen. Zwei Wochen vor dem Start der Hauptmannschaft, der Prime Crew, durchläuft man dort das selbe Quarantäneprogramm und die gleichen Trainingseinheiten, um im Notfall für den Start als Ersatzmannschaft vorbereitet zu sein.
Im Normalfall ist man mit der Prime Crew schon seit Jahren durch gemeinsame Trainingsaufenthalte sehr gut befreundet, was intensiviert wird durch die einzigartige Perspektive die man teilt kurz bevor man diesen Planeten hinter sich lässt und für ein halbes Jahr in den Weltraum fliegt. Isoliert von der Außenwelt dient die Zeit in Baikonur dazu, sich mental auf den Start vorzubereiten, seine Prozedurbücher zu präparieren, letzte Trainingseinheiten zu durchlaufen, sein Raumschiff zu inspizieren und die letzten ‚irdischen‘ Angelegenheiten zu Regeln, zu denen man in zweieinhalb Jahren intensiven Trainings nicht gekommen ist.
Die Wege der Prime und Backup Crew trennen sich erst zwei Stunden vor dem Start, nachdem die Prime Crew ihren Raumanzug angezogen hat und man gemeinsam zur Startrampe der Russischen Soyuz Rakete gefahren ist, die unwirklich im gleißenden Scheinwerferlicht auf der Startrampe steht, von der aus Juri Gagarin einst als erster Mensch die Erde verlassen hat.
An diesem Ort, direkt vor der Rakete, habe ich mich von Mischa, Rick und Koichi mit einem Handschlag verabschiedet und meine Freunde in ihr Raumschiff klettern sehen. In dem Moment ist mir klar geworden, was der Unterschied sein würde, wenn ich diese Rakete mit ihren 26 Millionen PS würde starten und binnen 8 Minuten ins Weltall fliegen sehen. Die Menschen an Bord sind meine Freunde. Die Menschen, mit denen ich heute morgen noch gefrühstückt habe, und denen ich eben noch geholfen habe, ihren Raumanzug anzuziehen, würden heute Abend auf der Internationalen Raumstation zu Abend essen.
Und genau diese Tatsache war es, die den Raketenstart zu einem Erlebnis werden ließ, das ich niemals wieder vergessen werde. Die Erinnerung an den Feuerstrahl, die ohrenbetäubende Lautstärke und die gewaltigen Erschütterungen des Starts sind bereits ein wenig in meinem Gedächtnis verblasst. Was bleibt, ist die Erinnerung an das umwerfende Gefühl, dass in dieser Rakete drei Menschen sitzen, auf dem Weg in den Weltraum.
Es war sehr still im Bus vom Startplatz zurück nach Baikonur. Ein solches Ereignis zu sehen macht uns Menschen offenbar nachdenklich, im positiven Sinne. Wahrscheinlich sind es zu viele Ereignisse in zu kurzer Zeit die es zu verarbeiten gilt. Was mich dann unvorbereitet erwischt hat, war die Begrüßung zurück in unserer Unterkunft in Baikonur: „Herzlich Willkommen an die neue Prime Crew!“. In dem Moment wurde mir bewusst, dass beim nächsten Mal ich derjenige sein werde, der in die Rakete einsteigt.
Discussion: 11 comments
Wow total klasse geschrieben hab voll Gänsehaut. Also nicht mal mehr sechs stunden dann ist der Augenblick gekommen und dieses Ereignis wird ihnen und der restlichen prime crew zuteil.das ist wahnsinn*-* alles gute nochmal von mir :) grüße aus Deutschland
Lieber Alexander,
viel Glück auf der Reise. Ich bin ein Weltallfan und ich habe gehört, dass die Maus mit dir ins Weltall fliegt. Ich kucke jeden Sonntag die Maus und finde es toll, dass du sozusagen ein Maustronaut bist. Auf Wiedersehen und viel Glück da oben,
Deine Leni
Checklist completed, ready for take off…. GUTE REISE ALEXANDER…. HAVE A GREAT & SAFE LAUNCH AND TRIP THE NEXT MONTHS IN YOUR SOJUS & ISS….. in our thoughts we’re close beside you our Swabian!!! We Germans are so proud of you!!!
Warm greetings from home,
Oliver.
Hallo Alexander,
hier ein Gruß aus Karlsruhe, es ist ein toller sonniger Tag. Das ist bei Euch hoffentlich auch so schön. Gute Bedingungen also für den Start! Geniesse die Reise in das Universum und nimm ein paar Sonnenstrahlen von hier mit!
Grüße von Diana
Guten Flug und unendliches Erinnerungsvermögen für alle Dinge, die Sie da oben erleben werden!
Ein Traum, einmal im Leben Zeit in der Schwerelosigkeit des Weltalls zu verbringen. Den Sternen näher zu sein als hier auf der Erde. Unseren Planeten eingebettet im endlosen Schwarz zu erleben. Und dann den Blick in die Ferne zu richten und davon zu träumen was jenseits, noch viel weiter jenseits liegen mag…
Ich wünsche Ihnen von Herzen sechs gute, sichere und unvergessliche Monate auf der ISS. Als Karlsruherin mit Familie in Künzelsau fühle ich mich (merkwürdiger- und unverdienterweise) stolz auf Ihre Leistung. Wenn ich inzwischen nicht einen völlig anderen Berufsweg eingeschlagen hätte, wären Sie meine Inspiration, ebenfalls darauf hinzuarbeiten, meinen geheimen Traum Astronautin zu werden, zu verwirklichen.
Ich freue mich auf Ihre Erlebnisberichte und Reflektionen von der ISS.
Bodenständige Grüße,
CoeurdeLionne
Hallo Alex,
ganz, ganz viel Spaß wünschen wir dir da oben! Bitte noch viele Bilder und Einträge, daß auch wir uns das alles immer besser vorstellen können! (Toll das Fledermäuse so hoch fliegen lernen können! – – das versteht nur Alex selber ;-) )
Schön das du erreicht hast was schon immer dein Traum war!
Vor allem auch für viele Kinder bist du echt ein großes Vorbild – das sehen die Eltern gerne ;-) !
Grüßle Anke und Familie
wir freuen uns dich in baden/deutschland in sinsheim im technikmuseum begrüßen zu dürfen —du hast geschichte geschrieben ——und solltest schnellstens landen….es sind nur monate…sie werden schneller vergehen,als astronauten sich versehen…versuche zu meditieren wenn es die zeit erlaubt….und du bist ein buddha im weltall–feiere den augenblick——jener kommt nie zurück —-doch du garantiert—weil die engel dieses universums wachen über dichwachen über dich
Hatte Gänsehaut beim lesen :) danke das du uns daran teilhaben lässt!!!!! LG Bianca
Ich war in Baikonur vor Ort dabei und habe das Segnen der Rakete, die Pressekonferenz, das Einsteigen in die Busse aus dem Hotel Kosmonaut, die Meldung „gatovt k palyotu“ und natürlich den Start miterlebt. Kann deshalb ganz gut Ihre Beschreibung nachempfinden ! Es war ein unvergessliches Erlebnis für mich. Man konnte die Sojus noch fünfeinhalb Minuten nach dem Start verfolgen. Es war unheimlich warm, wir haben bei der Beobachtungsterrasse die Backup Crew getroffen, und ich kann mir denken, dass die sich genauso gefühlt hat wie Sie, als Sie zu einer Backup Crew gehörten. Nicht nur die Geräusche der Rakete haben mich beeindruckt, sondern vor allem der Gedanke: da sitzen drei Menschen drin, die kurz vorher noch fünf Meter von mir entfernt standen und jetzt sechs Monate im Weltraum verbringen. Natürlich werde ich Ihre Mission verfolgen, und ich wünsche Ihnen viel Erfolg im Weltraum und eine gesunde Rückkehr !
Kia ora und waimarie aus Newlands, Wellington, und viel Spass da oben! Hab gerade erst vom earth sciences MSc gelesen…