ESA title
Matthias Maurer

#AskMatthias – Orbit Edition

Eines der Ziele meiner Cosmic Kiss-Mission ist es, die faszinierende Wissenschaft rund um den Weltraum und die Raumfahrt sowie das Leben und die Arbeit eines oder einer AstronautIn mit euch zu teilen. Ich freue mich sehr über all die positiven Kommentare und Fragen, die mich täglich erreichen, und will daher mein Bestes tun, sie auf diesem Blog zu beantworten. Bleibt neugierig!

Astronaut werden

Wie lange dauert es, bis man ein Astronaut ist?

Das klingt nach einer einfachen Frage, aber es ist auch eine komplizierte Frage. In meinem Fall hat es ziemlich lange gedauert: Zwischen der Idee, mich als Astronaut zu bewerben, und dem Flug ins All im letzten Jahr sind 13 Jahre vergangen. Ich habe mich 2008 beworben und bin erst 2021 geflogen, das ist also eine sehr lange Zeit. Aber mein Weg war nicht der direkteste. Also normalerweise, wenn man sich bewirbt und als Astronautenanwärter ausgewählt wird, bekommt man eine Grundausbildung, die etwa ein Jahr dauert. Wenn man dann später für einen Raumflug ausgewählt wird, folgt eine etwa zweijährige Ausbildung für die Mission. Der kürzeste Weg, würde ich sagen, sind also drei Jahre. Aber jetzt gibt es auch die kommerziellen Raumflüge. Deren Ausbildung dauert, glaube ich, nur etwa sechs Monate, um ins All zu fliegen. Aber die Mission ist auch völlig anders.

Leben und Arbeiten auf der Internationalen Raumstation ISS

Was war für dich die größte Umstellung, nachdem du auf der ISS angekommen bist? 

Die größte Umstellung war  diese Flüssigkeitsumlagerung im Körper und natürlich auch, dass der Raum plötzlich drei Dimensionen hat. Und dass man sozusagen Sachen schnell verliert und schnell wegschweben. 

Welche Gesetze gelten auf der ISS? 

Auf der ISS oder prinzipiell für jedes Raumschiff, gilt das Gesetz des Landes, das es gestartet hat. Aber hier oben sind jetzt natürlich verschiedene Module miteinander verknüpft, also amerikanische, europäische und russische Module sowie ein japanisches Modul. Von daher gibt es zwischen den internationalen Partnern ein Abkommen, in dem das geregelt ist. Aber prinzipiell ist es so, dass jedes Land, das ein Raumschiff hochschickt, auch dafür verantwortlich ist, genauso wie für deren Entsorgung am Ende. 

Wie ist der soziale Alltag auf der ISS? Gibt es Feste und wird auch mal gestritten?  

Selbstverständlich gibt es Feste. Wir hatten hier oben Weihnachten, wir hatten Neujahr und wir hatten den Geburtstag meines Kommandanten, Kosmonaut Anton Shkaplerov. Mein Geburtstag kommt dann Mitte März und natürlich werden wir das feiern und haben auch die anderen Ereignisse gemeinsam gefeiert. Streit gibt es hier nicht, aber natürlich gibt es auch unterschiedliche Meinungen, aber wir haben alle in unserer AstronautInnenenausbildung gelernt, wie man solche Konflikte ordentlich löst, bevor es zum Streit kommt. Der soziale Alltag hier oben ist klasse. Wir sind alle sehr gute Freunde, wir arbeiten zusammen, wir essen abends und mittags zusammen und am Wochenende schauen wir auch zusammen Filme an. 

Dinner on the Space Station. Credits: NASA/ESA-M. Maurer

Was war für dich das beängstigendste Erlebnis auf der ISS?  

Das beängstigendste Erlebnis war ganz am Anfang meiner Mission. Da ist ein Satellit auseinandergebrochen. Das war drei, vier Tage nachdem wir hier angekommen waren und die Meldung erhielten: Da ist Schrott auf Gegenkurs zu euch. Wir dachten dann alle, hoffentlich müssen wir jetzt nicht schon nach Hause fliegen, denn dann wäre das eine kurze Reise gewesen.  

Was macht man bei einem schweren medizinischen Notfall? 

Wir haben natürlich Equipment dabei, um gewisse Notfälle selbst lösen zu können. Wir haben ein EKG dabei und auch Material, um Wiederbelebungsmaßnahmen durchführen zu können. Wenn es ganz schlimm ist und wir das hier oben nicht selbst lösen können, dann packen wir natürlich den Patienten ein und fliegen zurück zur Erde. Aber ansonsten sind wir hier oben gut ausgestattet. Wir haben Ultraschallgeräte und wir haben die ÄrztInnen auf der Erde, die wir dazu schalten können und die uns dann Anleitungen darüber geben können, was wir machen müssen.  

Wie lange brauchst du, um dich einmal durch die komplette ISS zu bewegen? 

Also da muss ich mich einmal auf der einen Seite abstupsen und dann kann ich rüber auf die andere Seite schweben. Ich würde mal sagen, das ist in 20 Sekunden getan. Ich kann auch schneller fliegen, aber man muss natürlich aufpassen, dass man nicht zu schnell fliegt und dann irgendwo gegen rammt und sich dann vielleicht verletzt. Aber das geht sehr flott und Schweben macht natürlich auch super viel Spaß. 

Wie viel Freizeit hast du und wofür nutzt du sie? 

Also ich habe einen recht vollen Tag aber abends, so nach sieben Uhr, fängt dann ungefähr meine Freizeit an und das geht dann so bis zehn, wenn ich offiziell ins Bett gehen soll. Meistens gehe ich aber erst um elf ins Bett. In der Zeit schreibe ich dann E-Mails oder mache zwischendurch kleine Videoclips und Fotos von der Erde. Das sind dann die Sachen, die ich auch auf den sozialen Medien poste. Ab und zu gucken wir auch einen Film zusammen, das ist dann so einmal die Woche, normalerweise am Freitagabend.

Wie schnell ist die Internetgeschwindigkeit zur Erde und wie wird das Signal übertragen?

Das Signal wird über das Ku-Band übertragen. Das ist dasselbe Band, das wir für den Video- und Daten-Up- und Downlink von der Internationalen Raumstation nutzen, und wir können auch über Ku kommunizieren. Wir haben eigentlich vier Kanäle für die Kommunikation, zwei sind Ku-Band und die anderen sind S-Band. Die Internetgeschwindigkeit ist auch recht gut, und wir können sogar Fernsehsendungen an Bord streamen. 

Staubsaugen im Weltraum: Woher kommt der Staub und ist das anstrengend?

Nun, der Staub kommt eigentlich von uns Menschen, also von Hautpartikeln und Haaren, und auch von unserer Kleidung. Wir tragen zum Beispiel hauptsächlich Baumwollkleidung und verwenden, außer beim Sport, keine polymeren Materialien, weil die Ladung einige der Geräte, die wir hier haben, beschädigen könnte. Außerdem verwenden wir zum Waschen nur fusselfreie Handtücher. Staubsaugen ist eigentlich eine spaßige Aufgabe, wenn wir von einem Lüftungsschacht zum nächsten hüpfen müssen, weil dort der Staub von der Klimaanlage angesaugt wird und wir alle Gitter reinigen müssen. Am mühsamsten sind die ganzen Kabel, die wie Schlangen herumschweben und sich in der Schwerelosigkeit um alles herumwickeln. Ich meine, wer macht schon gerne Hausputz, aber anstrengend ist es wirklich nicht. Wir machen das ja schließlich auch aus eigenem Interesse, um die Station sauber zu halten und zu verhindern, dass uns Staub in die Augen gerät oder uns zum Husten bringt.

Fühlt sich Schlafen und Träumen im Weltraum anders an? 

Also ich schlafe hier oben super gut, fast besser als auf der Erde. Das ist wie in so einen Wattebausch gehüllt zu sein. Leider träume ich nicht, weder auf der Erde noch hier oben. Das ist ein bisschen schade, weil ich mich tatsächlich auch gefragt habe, wie sich das verändert. Von daher kann ich diese Frage leider nicht beantworten. 

Wo haben die japanischen Raumfahrtteilnehmer bei ihrem Besuch geschlafen, im russischen oder amerikanischen Segment?

Die japanischen Raumfahrtteilnehmer Yusaku Maezawa und Yozo Hirano sind im Dezember 2021 als Teil der russischen Sojus-Besatzung zur Internationalen Raumstation ISS geflogen, sie waren also Kunden unserer russischen Kollegen und damit im russischen Segment untergebracht. Einer schlief in einer der drei russischen Kajüten, und der andere im neuen UM- oder Prichal-Knotenmodul, das meiner Meinung nach ideal zum Schlafen ist, weil es wahrscheinlich der ruhigste Ort hier auf der Raumstation ist. Der Roskosmos-Kosmonaut und Kommandant Alexander Misurkin, der die Sojus gesteuert hat, schlief in der Sojus.

Wie fühlt sich Schwerelosigkeit an? Was ist das Beste und das Schlimmste daran?

Schwerelosigkeit bedeutet für mich, dass ich mich wie ein Schmetterling im Weltraum bewegen kann, ohne dass ich meine Flügel benutzen muss. Ich schwebe und bin völlig schwerelos, das ist so ein schönes Gefühl. Ich kann alles mit den Fingerspitzen machen. Es ist so einfach, sich vorwärtszubewegen. Niemand von uns hier oben denkt, dass es natürlicher wäre, durch die Station zu gehen. Nein, es ist so, dass das Gehirn akzeptiert hat, dass das die beste Art ist, sich im Weltraum vorwärtszubewegen, aber es hat auch eine negative Seite, oder einige Nachteile. Immer wenn man arbeiten will, muss man sich an etwas festhalten, denn mit der einen Hand muss man arbeiten und mit der anderen Hand muss man sich festhalten, sonst drückt man einen Knopf, aber eigentlich drückt man den Knopf nicht, sondern man stößt sich selbst davon weg. Das Arbeiten in der Schwerelosigkeit ist also sehr viel schwieriger und ein bisschen kniffliger. Und das wird noch viel schwieriger, wenn man draußen in dem riesigen Raumanzug steckt. Dort ist es wesentlich schwieriger, eine Aufgabe zu erledigen. Für eine Aufgabe, die man am Boden in ein paar Minuten erledigt, braucht man in dem Raumanzug und bei der Arbeit in der Schwerelosigkeit außerhalb der Station vielleicht eine halbe oder sogar eine Stunde.

Riecht deine Seife gut und ist dein Geruchssinn im Weltraum beeinträchtigt?  

Ja, mein Geruchssinn wird im Weltraum durch die Flüssigkeitsverschiebung beeinträchtigt. Ich rieche weniger, und das ist eigentlich gar keine schlechte Sache, denn wir können hier oben alle nicht duschen. Wir müffeln also wahrscheinlich alle ein bisschen. Aber wenn das niemand riechen kann, dann passt das schon. Also meine Seife ist ein festes Stück Seife, das mag ich sehr gerne. Sie riecht ein bisschen frisch, aber es ist eher das Gefühl, mich zu reinigen, was so schön ist. Das ist eigentlich der beste Moment des Tages, abgesehen vom Blick aus dem Fenster. Wenn ich nach dem Sport mein dampfend heißes, nasses Handtuch habe und dann das Seifenstück, dann ist das wie im Paradies. 

Wo ist das Badezimmer der ISS?  

Wir haben eigentlich drei Badezimmer auf der ISS. Für die USOS (US Orbital Segment)-Besatzung haben wir das PMM (Permanent Multipurpose Module). Der erste Bereich des PMM ist mit Vorhängen abgetrennt und dort können wir dann „duschen“.  Das zweite Badezimmer ist im kleinen logistischen Lagermodul über dem JEM (Japanese Experiment Module). Das benutzten Kayla und ich, und ich glaube, dass wir es damit besser haben als die anderen im PMM. Denn im PMM lagern wir auch unseren Müll. Das dritte Bad ist im FGB (Functional Cargo Block), das ist für die russischen Kolleginnen und Kollegen. Das befindet sich in der Hauptachse der ISS und immer, wenn wir dorthin schweben und sehen, dass die Luke teilweise geschlossen ist, wissen wir, dass einer der beiden Kollegen dort gerade duscht. Dann halten wir an und warten bis die Luke wieder ganz geöffnet ist. 

Was passiert, wenn die Toilette kaputt geht? 

Dann klopfe ich bei unseren Nachbarn an, bei den russischen KollegInnen, und frage, ob ich mal deren Toilette benutzen kann und in der Zwischenzeit repariert dann jemand unsere Toilette. 

Werden Haare anders gewaschen, wenn sie lang sind? 

Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wie meine Kolleginnen und Kollegen mit längerem Haar es waschen. Ich nehme an, wir machen es alle mehr oder weniger gleich. Wir haben eine Flüssigseife, die wie in einem Trinkbeutel geliefert wird, nur dass es ein Seifenbeutel ist. Man kann also sein Haar mit dieser Flüssigseife benetzen und sie ist nicht sehr stark konzentriert, so dass man sie sehr leicht ausspülen kann. Im Prinzip ist es sogar ein Shampoo, das man gar nicht ausspülen muss. Ich persönlich wasche meine Haare aber ein bisschen anders. Dafür habe ich ein Seifenstück, das ich sowohl für meinen Körper als auch für meine Haare verwende und ich habe das Gefühl, dass es seinen Zweck ganz gut erfüllt. Außerdem haben wir aufgrund der Flüssigkeitsverschiebung hier im Weltraum das Gefühl, dass unser Haar viel leichter nachfettet als auf dem Boden. Ich glaube die russische Schauspielerin hat sogar gesagt, dass sie sich dreimal am Tag die Haare gewaschen hat, während sie hier im Weltraum war. Sie hatte ein handelsübliches Shampoo dabei, das wir nicht haben. Wir haben ein spezielles Shampoo ohne Ausspülen. Davon gibt es eine russische und eine amerikanische Version, aber beide leisten nur teilweise gute Arbeit, muss ich zugeben, denn sie enthalten keine echten Seifenpartikel. Deshalb bevorzuge ich mein Seifenstück. Ich verreibe also ein bisschen Seife in meinen Haaren und gebe ein bisschen Wasser dazu, um einen Schaum zu haben. Dann nehme mein Handtuch und wische den ganzen Seifenschaum in das Handtuch. Dann schütte ich etwas Wasser drauf und mische die restliche Seife auf meinem Kopf mit dem Wasser und dann sauge ich es wieder mit einem anderen Teil des Handtuchs auf. Dann nehme ich wieder frisches Wasser und im Grunde verdünne ich das immer weiter, bis ich die Mission für erfolgreich beendet erkläre. 

Haareschneiden im Weltraum: Wächst das Haar im Weltraum anders?

Sehr gute Frage! Und ich muss zugeben, ich habe keine Ahnung… Es scheint, dass es wie auf der Erde wächst und ob schneller oder langsamer, kann ich nicht sagen. Ich werde es beobachten.

Matthias gets a haircut in space by NASA astronaut Raja Chari. Credit: ESA/NASA

Wie putzt man sich auf der ISS die Zähne? 

Das Zähneputzen ist sehr ähnlich wie auf der Erde. Ich gebe ein bisschen Zahnpasta auf meine Zahnbürste, aber viel weniger als auf dem Boden. Ich würde sagen, etwa einen Klecks so groß wie eine Erbse, das reicht aus. Ansonsten schäumt die Zahnpasta zu stark, viel stärker als auf dem Boden. Wenn man also einen ganzen Streifen auf die Zahnbürste gibt, hat man so viel Schaum im Mund, dass man wahrscheinlich ersticken könnte. Anfangs habe ich es so gemacht und dachte, wow, ich muss diesen Schaum loswerden. Wenn man dann fertig ist, spuckt man es einfach in ein Handtuch aus, und zwar in das Handtuch, das man eine Woche zuvor benutzt hat. Dann gibt man zwei Tropfen Wasser auf die Zahnbürste, und die Kapillarwirkung der Bürste saugt das Wasser auf, und dann nehme ich das Wasser von der Zahnbürste, sauge es in den Mund und spucke es in das Handtuch. Dann ist die Zahnbürste sauber, mein Mund ist sauber, alles ist sauber und ich bin glücklich. 

Was passiert mit den Wassertröpfchen, die wegschweben? Sind sie nicht gefährlich für die Bordelektronik?  

Ja und nein. Unsere Waschbereiche befinden sich an separaten Orten, wo wir Duschvorhänge und keine kritischen elektronischen Geräte haben. Außerdem müssen alle elektrischen Steckdosen mit Abdeckungen versehen sein. Man würde also niemals eine Steckdose offen lassen, sodass alle Kontakte offen lägen und Flüssigkeit oder Staub hineingelangen könnte. Aber es stimmt, einige Computersysteme haben Lüfter und Bereiche, in die Flüssigkeit eindringen könnte, aber ich denke, die Auswahl der gesamten Hardware wurde so getroffen, dass sie davor geschützt ist. Wir sollten also darauf achten, dass wir keine Flüssigkeit herumspritzen, und wenn es Wassertropfen gibt, sollten wir sie wegwischen. Aber die Umgebung hier ist auch ziemlich widerstandsfähig und robust und kann ein paar kleine Tröpfchen vertragen. 

Gibt es eine Höchstmenge an Trinkwasser pro Person und Tag auf der ISS? 

Ja, ich glaube, es gibt eine Höchstmenge an Wasser, die pro Tag auf der ISS getrunken werden darf. Das liegt im Wesentlichen daran, dass das System gewisse Auslastungsgrenzen hat. Ich weiß nicht, wie hoch diese Grenze ist, aber jeder von uns sollte etwa 2,5 Liter Wasser pro Tag trinken. Das ist eine medizinische Vorgabe, eine Empfehlung, aber ich glaube, wenn man jetzt 3,5 Liter am Tag trinkt, gibt es da auch keine Probleme mit den Geräten. Vor allem, wenn wir Weltraumtouristinnen und -touristen an Bord haben oder eine direkte Übergabe und wir eine Besatzung von bis zu 11 Personen haben, dann denke ich, dass das System mehr oder weniger seine maximale Kapazität erreicht. Aber ich wüsste jetzt nicht, dass wir jemals irgendwelche Einschränkungen hatten und uns gesagt wurde, wir sollten weniger trinken. Im Grunde ist es immer umgekehrt. Man sagt uns immer, wir sollen mehr trinken, weil viel Wasser zu trinken gut für die Gesundheit ist. Es gibt allerdings eine Begrenzung der Wassermenge, die wir für die Körperpflege verwenden dürfen und das sind 250 Milliliter pro Tag. Denn all das Wasser verdunstet in die Luft und muss wieder aus der Luft kondensiert werden und unsere Wärmetauscher und die Klimakontrollanlage an Bord der ISS haben begrenzte Kapazitäten. 

Welche Raumtemperatur herrscht auf der ISS und sind alle Module gleich warm? 

Wir haben hier oben eine sehr angenehme Temperatur und im russischen Segment ist es sogar etwas wärmer als im US-amerikanischen Segment. Aber hier im US-Segment ist es immerhin warm genug, um den ganzen Tag lang im T-Shirt zu arbeiten und meistens trage ich sogar Shorts. Manchmal muss das Bodenkontrollteam den Wärmetauscher warten, und das bedeutet, dass sie die Temperatur anpassen müssen. Dann wird es ein bisschen kälter, aber dafür wir werden vorgewarnt. Dann ziehen wir einen Pullover oder einen Kapuzenpulli an, lange Hosen und so weiter. Wenn man aber viel Sport gemacht hat und einem warm ist und man dann eine längere Zeit nicht aktiv ist, dann kann es sein, dass man friert. Eine gute Idee ist dann, einen heißen Tee zu trinken, damit einem wieder warm wird. Aber ich glaube, die Temperatur hier oben sollte so mittlere 20°C haben. Ich weiß es nicht so genau, aber es ist auf jeden Fall warm genug. 

Hatte Covid-19 Auswirkungen auf dich und deinen Raumflug? 

Covid-19 hatte Auswirkungen für uns in der Vorbereitung auf den Flug, da mussten wir natürlich alle Masken tragen und wir mussten auch ein strenges Quarantäneprotokoll einhalten. Aber das Training war trotzdem möglich. Ich durfte aber weitaus weniger nach Hause fliegen und meine Familie sehen, von daher war das ein bisschen anstrengender in der Vorbereitungszeit. Aber ich denke solche Anstrengungen, die hat auch jeder auf der Erde in den letzten zwei Jahren miterlebt.  

Matthias Maurer and NASA astronaut Raja Chari train in Retinal Diagnostics. Credit: ESA.

Betrieb der Raumstation

Wie würde es sich anfühlen, wenn die ISS plötzlich Luft verlieren würde? 

Das würde sich ein bisschen so ähnlich anfühlen, wie wenn man im Flugzeug sitzt. Wenn das Flugzeug hochfliegt und dann wieder nach unten sinkt, dann merkt man den Druckunterschied in den Ohren, also wenn die Ohren so ploppen. Dieses Gefühl ist noch viel empfindlicher und kommt schneller als es ein Druckmesser anzeigt. Aber die Druckmessanzeige auf der ISS würde auch sofort einen Alarm auslösen und das würde sehr kurz nach dem Gefühl in den Ohren kommen und dann müssen wir natürlich den Luftdruck messen und versuchen das Leck zu finden und zu reparieren. 

Wie schnell kann man im Notfall zurück zur Erde fliegen? 

Dann würden wir in unsere Kapsel steigen und prüfen, ob sie luftdicht ist, und wenn sie dicht ist, dann würden wir zurückfliegen. Aber prinzipiell würde ich mal sagen, dass das normale Zurückkehren zur Erde in weniger als sechs Stunden möglich ist.

Wissenschaft an Bord der ISS

Chilischoten auf der ISS: Schmecken sie anders als die auf dem Boden gewachsenen und sind sie schärfer?

Oh ja, die waren tatsächlich sehr scharf! Diese Chilischoten wurden von der vorherigen Crew an Bord der Internationalen Raumstation ISS angebaut, aber in nächster Zeit wollen wir auch noch andere Pflanzen im Columbus-Modul anbauen. Dazu kann ich dann noch mehr von berichten und Fotos schicken. Das Ziel dabei ist aber erst einmal zu verstehen was wächst denn im All und wie wachsen die Dinge und kann man die Sachen auch essen?

Astronaut Matthias Maurer is pictured with a bag of leaves. Credit: ESA/NASA

Astrobee-Roboter in der Zukunft: Sollten Roboter auch außerhalb von Raumkapseln oder Raumstationen eingesetzt werden?

Ja, in der Tat. Derzeit haben wir den Roboterarm, um außerhalb der Station zu arbeiten, und wir machen Weltraumspaziergänge, um draußen an der Station zu arbeiten. Es wäre toll, eine Art Drohne zu haben, die um die Station herumfliegt und die Außenbereiche inspizieren könnte. Astrobees sind derzeit aber nur für einen kleinen Bereich in unseren Modulen zugelassen, sie dürfen also nicht in der gesamten Station fliegen, weil sie sich fast jeden Tag verändert. Wir haben neue Aufbauten, neue Experimente, neue Kabel, Astronauten, die sich bewegen… Im Moment sind diese fliegenden Indoor-Roboter noch nicht so intelligent, wie sie es sein müssten, um völlig selbständig zu sein, und wir müssen uns noch um sie kümmern, da es im Freien zu schwierig für uns wäre, sie zurückzuholen. Aber in der Zukunft, ja, das ist definitiv eine Anwendung, die wir eines Tages sehen werden.

Wie lange bleibt Schaum in der Schwerelosigkeit stabil? Könnte man Schlagsahne herstellen? 

Ich glaube, eines der Experimente, die für mich geplant waren, aber ich bin mir nicht sicher, ob es noch auf meiner Liste steht, ist die Herstellung von Mousse au Chocolat. Das geht also im Grunde in die gleiche Richtung wie Schlagsahne machen. Ich denke, das dürfte hier oben sehr, sehr einfach sein. Der Schaum würde sehr stabil sein und wahrscheinlich noch viel schaumiger als auf dem Boden. Während meiner Doktorarbeit habe ich viel mit metallischen Schäumen gearbeitet und es gibt einen Begriff, den man Vergröberung nennt. Kleine Blasen sind weniger stabil als größere, so dass die kleinsten Blasen irgendwann verschwinden und andere kleine Blasen zu größeren werden, bis man eine Menge großer Blasen hat. Die drücken dann die ganze Flüssigkeit, auch entlang der Wände, nach unten. Das ist ein Effekt, der Schäume auf der Erde instabil macht, wie man es beispielsweise bei Bierschaum kennt. Aber hier im Weltraum wäre so ein Schaum weitaus stabiler.  

Foam-Coarsening experiment on ISS. Credits: ESA/NASA

Sport und Fitness

Verwalten die Fliegerärzte euren Trainingsplan oder bleibt das euch überlassen? 

Also es sind nicht unsere Fliegerärzte, sondern unsere Fitness-Experten vom Europäischen Astronautenzentrum EAC, die den Trainingsplan erstellen und es gibt eine Art festes Programm, das man mit ARED absolvieren kann. ARED (Advanced Resistive Exercise Device) ist ein Sportgerät, das es der Besatzung an Bord der ISS ermöglicht Kraftübungen zu machen, indem es den Einsatz von Hanteln, also Gewichten, simuliert. Das Team versucht dieses Training für uns ein wenig zu variieren, aber es sind mehr oder weniger Standardübungen, die die meisten von uns machen. Dann werden unsere Gewichte angepasst, je nachdem, was ich vorher gehoben habe und auch je nach Erfahrung mit früheren Raumflügen von Kolleginnen und Kollegen von mir. 

Warum trägst du keine Schuhe beim ARED-Training? 

Sehr gute Frage. Ich könnte beim ARED-Training [Advanced Resistive Exercise Device, für Krafttraining genutzt] Schuhe tragen, aber diese Schuhe haben eine Art Schaumstoffsohle. Mir ist der direkte Kontakt mit der Bodenplatte lieber, so dass die ganze Kraft nicht von den Schuhen abgeleitet wird, sondern direkt in die Bodenplatte geht. Deshalb trage ich auch keine Socken, weil es mit Socken zu rutschig wäre. Ein paar tragen dabei Schuhe, aber die meisten von uns gehen lieber barfuß auf das ARED. 

Wie fühlt sich Gewichteheben auf der ISS im Vergleich zur Erde an? Musst du mehr oder weniger heben? 

Hier oben ist das Gewicht viel höher als auf der Erde, weil wir unser eigenes Körpergewicht hinzurechnen müssen. Ich hebe also nicht nur das Gewicht, das ich auf der Erde heben würde, sondern zusätzlich auch noch mein eigenes Körpergewicht. Insgesamt hebe ich also wahrscheinlich etwas weniger als mein Körpergewicht plus mein maximales Gewicht auf der Erde. Also ja, die absolute Zahl hier oben im Weltraum ist ziemlich hoch, aber es fühlt sich gut an. 

Können die Besatzungsmitglieder auf der ISS parallel Sport treiben? 

Ja, wir treiben parallel Sport. Aber das ARED ist das einzige Gerät, das wir haben, womit wir Kraftübungen machen können. Also ist das ARED-Training ein Muss. Jeder muss 1,5 Stunden pro Tag mit ARED trainieren. Diese Planung ist ein Engpass und bestimmt mehr oder weniger die Planung des gesamten Tages auf der Station. Für die Kardioübungen haben wir im amerikanischen USOS-Segment der Raumstation zwei Geräte: ein Fahrradergometer (CEVIS-Cycle Ergometer with Vibration Isolation and Stabilization System) und ein Laufband (T2).  Dann macht man entweder das eine oder das andere, und nur die fünf USOS-Besatzungsmitglieder benutzen das Laufband oder das Fahrrad. Die russischen Kolleginnen und Kollegen haben ihre eigenen Geräte. Sie haben ihr eigenes Laufband, das sogar noch ausgefeilter ist als unseres, ein wirklich schönes Gerät! Sie haben auch eine Art Fahrrad, und das ist nicht nur ein Fahrrad für die Beine, sondern auch ein Fahrrad, das man mit den Armen benutzen kann. Das ist also auch eine tolle Hardware, die ich noch nicht ausprobiert habe, aber es steht definitiv auf meiner To-Do-Liste. 

Schwitzt du beim Training auf der Raumstation genauso stark wie auf der Erde? 

Ich, und tatsächlich jeder von uns, schwitzt hier oben anders. Vielleicht sogar noch mehr, denn auf der Erde gibt es durch die Schwerkraft eine Luftzirkulation, was bedeutet, dass warme Luft nach oben steigt und kalte Luft von unten kommt. Somit entsteht ein schöner Kühleffekt . Aber wenn man hier im Weltraum keinen Ventilator einschaltet, schwitzt man sehr stark und der Körper überhitzt viel schneller als auf der Erde, weil die fehlende Schwerkraft einen Mangel an Konvektion bedeutet. Konvektion ist in diesem Fall die aktive Bewegung von Luftteilchen. Man schwitzt also anders und nach dem ARED-Training habe ich normalerweise einen völlig nassgeschwitzten Kopf und nasse Haare und ich schlafe danach ziemlich viel. Ich habe einige Kolleginnen und Kollegen, die schwitzen wie verrückt und so sieht man rund um unsere Sportgeräte ARED, CEVIS und T2 viele Wassertröpfchen nachdem jemand trainiert hat. Wir haben auch Ventilatoren, die wir immer aufstellen, außer beim ARED-Training, sonst könnte man nicht so viel Sport machen. 

Wird es nicht langweilig, jeden Tag zwei Stunden Sport zu treiben, oder macht es Spaß? Kann man dabei Musik hören? 

Nun, natürlich kann man Musik hören. Wir haben das sogenannte Crew Web. Ich habe also Internet und solange wir eine gute Verbindung haben, höre ich normalerweise Musik oder sehe mir die Nachrichten an, um informiert zu bleiben und das Beste aus dieser Zeit zu machen. Manchmal habe ich keine Lust schon wieder Gewichte zu heben und immer wieder die gleichen Übungen wie jeden Tag zu machen. Es ist also ziemlich mühsam. Manche lieben es wirklich, aber für mich ist es Arbeit, es ist eine Pflicht. Ich genieße es teilweise, weil man Bewegung braucht und sich der Körper nach dem Training viel besser fühlt – aber eigentlich muss sagen danach, nicht während der Aktivität… Die größte Motivation ist, dass, wenn man keinen Sport macht, die Knochen und die Muskeln definitiv in einem sehr schlechten Zustand sind, wenn man nach Hause kommt. Also ist es nicht nur Sport, sondern auch aktive Prävention um gesund und fit zu bleiben. Es ist also ein Muss. 

Kann das Training den Muskel- und Knochenschwund, der ohne Training auftreten würde, vollständig ausgleichen? 

Ich denke, es gibt immer noch eine gewisse Differenz zu dem, was wir hier im Weltraum nicht dagegen tun können. Mit dem ARED-Krafttraining, dem CEVIS-Fahrradergometer und dem T2-Laufband ist der körperliche Zustand nach dem Raumflug natürlich viel, viel besser als ohne dieses Training. Die ersten Menschen, die in den Weltraum geflogen sind, mussten viel längere Rehabilitationszeiten in Kauf nehmen und litten zum Teil ihr ganzes Leben darunter. Wir können diesen Knochen- und Muskelabbau zu einem großen Teil aufhalten, aber ich denke, die diagonalen Muskeln sind das, was wir nicht ausreichend trainieren können. Deshalb habe ich einen EMS (Elektro Muskel Stimulation)-Anzug mitgebracht, um auch all die Muskeln zu aktivieren, die mit den Trainingsgeräten, die wir hier oben haben, bisher nicht aktiviert werden konnten. Wir werden nach dem Flug sehen, ob das einen Effekt hatte oder ob es nur ein Wunsch ist, der offen bleibt. Ich persönlich denke, dass EMS-Geräte gute Arbeit leisten, vielleicht nicht genau bei diesen diagonalen Muskeln, das kann ich erst nach dem Flug sagen, wenn man es messen kann. Aber jedes Mal, wenn ich den Anzug trage, habe ich das Gefühl, dass mein Körper und meine Muskeln tatsächlich auf diese zusätzlichen Elektronen und auf diesen zusätzlichen Reiz warten. Vielleicht hat es also einen positiven Effekt hier oben, und vielleicht hilft es mir auch, mich viel schneller zu erholen als andere Kolleginnen und Kollegen, ich bleibe gespannt. Aber ich liebe es. 

Weightless squats with the EasyMotion suit. Credits: ESA/NASA

Glaubst du, dass es für Fitnessgeräte im Weltraum noch mehr Möglichkeiten gibt? 

Ja, die ESA entwickelt ein neues Gerät, das auch hier zur Internationalen Raumstation fliegen wird, ich glaube 2024 werden wir es zum ersten Mal testen. Dieses neue Gerät ist für das Gateway [eine neue Raumstation, die um den Mond fliegen wird] geplant und konzipiert. Es soll also genauso gut sein wie ARED, aber viel kleiner in Größe, Volumen und Gewicht. Außerdem wird die Gateway-Station kleiner sein und wir werden nicht genug Platz dafür haben. Außerdem gilt es als Teil des potenziellen Raumschiffs, das zum Mars fliegt. Ich habe es nicht persönlich gesehen, aber es wurde von Astronautinnen und Astronauten der NASA getestet und sie haben es ausprobiert und gute Rückmeldungen gegeben. Die Russen haben auch ein anderes System, das mit einer Art Gewichtheben arbeitet, aber viel kleiner ist als das ARED. Es ist ein Fahrrad, bei dem man sich auf den Rücken legt und in die Pedale tritt und man kann auch die Arme benutzen. Es ist also eine Art Multitool, mit dem man auch bestimmte Übungen machen kann, die man mit dem ARED nicht machen kann, ein bisschen wie in einem Fitnessstudio. Wir hatten auch mal ein Schwungrad, das vor Jahren getestet wurde. Vielleicht kommt diese Technologie zurück und es gibt verschiedene weitere Ideen, was man im Weltraum tun könnte, um fit zu bleiben oder um Knochen und Muskeln zu stimulieren. 

Wird die Energie, die ihr beim Training erzeugt, für irgendetwas verwendet, z. B. für Wärme oder Strom? 

Nein, wir haben genug Strom, der von außen kommt, zum Beispiel von den Sonnenkollektoren. Der ganze Strom, der hier für den Betrieb der Geräte verbraucht wird, erzeugt Wärme. Wir haben also genug Wärme hier drinnen. Es geht also um reines Training und wir machen nichts mit der entsehenden Energie. Das würde nicht ausreichen. 

Die fehlende Schwerkraft beeinträchtigt deinen Blutkreislauf, hast du dadurch körperliche Probleme? 

Das ist eine gute Frage. Wir haben hier oben eine Flüssigkeitsverschiebung, und das bedeutet, dass wir im Grunde genommen dasselbe fühlen, als ob wir in einem Bett liegen würden, bei dem der Kopf sieben Grad nach unten zeigt. Das ist im Prinzip so, als ob man einen oder zwei Ziegelsteine nimmt und sie unter ein Ende des Bettes unterhalb der Füße legt. Liegt man dann im Bett, fließt das Blut etwas stärker zum Kopf hin. Viele von uns bekommen auch eine Art Verstopfung. Wir sehen nicht so gut wie auf der Erde, weil diese erhöhte Flüssigkeit im Kopf auch einen gewissen Druck auf das Gehirn oder um das Gehirn herum ausübt und auch auf die Augen und den Sehnerv drückt – ein Problem, das derzeit untersucht wird. Außerdem sind Kopfschmerzen ein wichtiges Thema, das untersucht wurde. Ich persönlich habe nur in den ersten Tagen etwas gespürt und ich hatte nicht wirklich Kopfschmerzen, sondern eher das Gefühl einen “schwereren Kopf” zu haben. Ich habe mich an diesen erhöhten Druck im Kopf gewöhnt, aber ich hatte nie etwas, das ich als Kopfschmerzen bezeichnen würde. Aber das ist individuell. Ich denke, wenn man viel Sport treibt und sich vielleicht den Nacken ein wenig verdreht, kann das auch Kopfschmerzen auslösen. Ansonsten fühlt sich alles ganz normal an, abgesehen von dieser Flüssigkeitsverschiebung. Man spürt auch das der Nackenumfang etwas größer wird. Bei einigen der Geräte, die wir testen, muss man ein Hemd tragen, das mit einem Reißverschluss fest um den Hals sitzt, so wie auch bei meinem EMS-Anzug. Und das fühlt sich hier oben im Weltraum unangenehm an, weil der Halsumfang aufgrund der Flüssigkeitsverschiebung breiter ist als auf der Erde.  

Wie hat sich dein Körper im Weltall bis jetzt verändert? 

Im Weltall verändert sich der Körper, indem sich die Flüssigkeiten umlagern. Wenn ihr mich jetzt anschaut, dann sieht man, dass meine Beine ganz dünn geworden sind und ich so ein dickes rundes Gesicht habe. So sehe ich normalerweise nicht aus. Das passiert, weil die Flüssigkeit aus den Beinen in den Oberkörper hochsteigt, weil die Schwerkraft fehlt. Ansonsten bilden sich natürlich Muskeln und Knochen zurück und deswegen machen wir hier oben auch jeden Tag Sport.  

Wie hält man sich mental gesund? 

Für die mentale Gesundheit ist natürlich wichtig, dass man genügend schläft, dass man einen ausgeglichenen Tagesablauf hat, dass man auch jeden Tag ein bisschen Spaß und Freude hat und dass die Arbeit hier nicht zu stressig wird. Aber dafür sorgen die PlanerInnen und wir haben jede Woche ein Gespräch mit unseren ÄrztInnen und die fragen dann natürlich, ob alles in Ordnung ist. Wir reden auch jeden Abend zusammen in der Crew darüber was heute gut war, was heute schlecht war, was heute stressig war und dann versuchen wir so ein bisschen die Luft rauszulassen. Das passt alles wunderbar. 

Aussichten aus dem All & Fotografie

Wie oft kannst du in die Cupola gehen und dort Zeit verbringen?

In die Cupola kann ich außerhalb von meiner Arbeit und immer in meiner Freizeit gehen, es sei denn, es ist reglementiert. Denn immer, wenn ein Raumschiff kommt, oder wegfliegt, das sind dann mehrere Stunden, müssen alle Fenster zu sein, weil die Treibstoffe, die diese Raketen verwenden, sich auf den Scheiben niederschlagen, und die optische Qualität leiden würde. Deswegen müssen die Scheiben dann immer zu sein, und die „Shutters“ werden geschlossen. 

Matthias Maurer in the Cupola. Credits: NASA– Mark T. Vande Hei

Stimmt es, dass man aus dem Weltraum ab einer bestimmten Position über der Erde nur noch Wasser sehen kann? 

Wir fliegen in einer Höhe von 400 km, und ich glaube, wir können einen Radius von etwa 2000/3000 km um die ISS herum sehen. Wir sehen also nicht die ganze Erde, aber einen großen Teil davon. Zum Beispiel überfliegen wir sehr oft die USA und dann den Atlantik, zwischen Afrika und Lateinamerika, und fliegen dann weiter zwischen Afrika und der Antarktis und über Australien. Zwischen den USA und Australien sehen wir also im Grunde nichts anderes als Wasser. 71 % der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt, was mir hier oben im Weltraum nochmal sehr bewusst geworden ist, und wir fliegen tatsächlich die meiste Zeit über Wasser. Aber wenn man von Afrika über den Himalaya, Asien und den ganzen Weg über Japan fliegt, ist das eigentlich ein schöner langer Überflug über Land, und es ist spektakulär, den Himalaya von hier oben zu sehen, das kann ich euch sagen!

The south Pacific Ocean pictured from the International Space Station. Credit: ESA/NASA

Werden Sonnenuntergänge und Sonnenaufgänge nach 16 pro Tag langweilig?

Kein Blick von hier oben im Weltraum wird langweilig, und leider habe ich nicht genug Zeit, um so viel aus dem Fenster zu sehen, wie ich gerne würde. Wir sind ja hier, um Wissenschaft zu betreiben, und die Labore haben leider keine Fenster, also nutze ich meine Freizeit und versuche, mindestens, ich würde sagen, 15 Minuten bis eine halbe Stunde pro Tag, in der Cupola zu verbringen und aus dem Fenster zu schauen. Unser Planet ist so schön, und jedes Mal, wenn man ihn überfliegt, entdeckt man etwas Neues.

Verliert man auf der ISS das Gefühl für Tag und Nacht?  

Pro Tag erleben wir 16 Mal einen Sonnenauf- und Sonnenuntergang. Aber das sieht man nur, wenn man die ganze Zeit aus dem Fenster schauen würde. Aber wir haben hier in den westlichen Modulen, also auch im Columbus-Modul, gar keine Fenster. Also es gibt ein Fenster im US-Nachbarmodul und natürlich in der Cupola, die nur aus Fenstern besteht. Das heißt, wenn man in der Cupola ist und nach unserer Zeit nachts dort rein schwebt, dann kann es dort Tag sein. Das ist dann schon ein bisschen verwirrend. Aber normalerweise ist es einfach so, dass wir den Tagesablauf nach der englischen, bzw. koordinierten Weltzeit richten. Das ist die Zeit, nach der wir hier arbeiten und das macht für uns dann keinen Unterschied. Wir haben den gleichen 24 Stunden Rhythmus wie auf der Erde.  

Hast du die Möglichkeit, den Mond aus einem besseren Winkel als auf der Erde zu sehen?

Ja, von hier oben habe ich die Möglichkeit, den Mond von einem besseren und auch einem ganz anderen Winkel zu sehen als von der Erde. Zum Beispiel konnte ich auch den letzten Vollmond richtig schön genießen und mit meinem Fernglas beobachten. Was seltsam, aber wiederum auch vollkommen logisch war, ist, dass immer, wenn ich um die Erde geflogen bin, dann habe ich den Mond einmal um 180 Grad rotiert gesehen. Also ich habe den gleichen Teil des Mondes, aber immer um 180 Grad gedreht, von der anderen Seite der Erde gesehen, und während des Übergangs sehe ich natürlich auch, wie der Mond sich so quasi wie ein Zeigerblatt dreht, das war ganz interessant und war mir so nicht bewusst. 

Moon and Atmosphere. Credit: NASA/ESA-M.Maurer

Hat jeder Astronaut, wenn er möchte, seine eigene Fotoausrüstung dabei, oder bleiben die Kameras auf der ISS?

Die Kameras bleiben immer auf der ISS, aber jede/r Astronaut/in bekommt eine Kamera zugewiesen, um Fotos von den Experimenten zu machen. Aber in der Cupola und in der Nähe des WORF (Window Observational Research Facility), unserem High-Tech Fenster im Labor, bekommen wir spezielle Kameras mit vormontierten Objektiven, um sehr schnell Bilder machen zu können. Das heißt, wir haben einige Free Floater-Kameras für Makrofotografie und Erdbeobachtung, aber für die tägliche Arbeit auf der Raumstation benutzt jeder Astronaut seine eigene Kamera. 

Wenn etwas mit den Fenstern der Cupola wäre, kann man das dann reparieren? Kriegen sie Kratzer?

Die Scheiben der Cupola sind aus Panzerglas und bestehen aus mehreren Lagen. Äußerlich gibt es schon ganz kleine Einschläge aber die inneren Lagen bleiben stabil und auch von Innen haben wir vor unseren Fenstern immer einen Plexiglasschutz. Wenn die dann stark zerkratzt sind, dann werden sie ausgetauscht und es werden neue aufgebaut, sie heißen entsprechend auch „scratch panes“. 

Ist es im Weltall immer dunkel? Sehen die Sterne im Weltall heller aus als auf der Erde?

Alle 90 Minuten fliegen wir um die Erde, und jedes Mal, wenn wir um die Erde fliegen, haben wir auch eine Art Nacht-Phase und eine Tag-Phase. Wir sehen also 16-mal den Sonnenuntergang und den Sonnenaufgang. Je nach Umlaufbahn ist das ein bisschen länger oder kürzer als die Hälfte dieser 90 Minuten. Der Unterschied besteht darin, dass die Sterne nicht wie auf der Erde funkeln, denn wenn wir die Sterne von der Erde aus sehen, durchdringt das Licht die Atmosphäre und dadurch wird das Licht intensiver oder weniger intensiv, was wie ein Flackern wirkt. Das ist also der einzige Unterschied, den wir im Weltraum sehen. Die Sterne sind fast genauso hell, aber sie sind gleichmäßig hell und haben nicht diesen Flackereffekt, den wir auf der Erde sehen.

Kannst du aus dem Weltraum Bauwerke wie die Pyramiden oder die Chinesische Mauer erkennen?

Das ist eine sehr gute Frage. Wenn du mit „du“ mich meinst: „Matthias, hast du schon die Pyramiden oder die Chinesische Mauer gesehen?“, muss ich nein sagen. Ich halte Ausschau, aber bisher habe ich sie noch nicht gesehen. Allerdings weiß ich, dass es möglich ist, weil Kollegen von mir bereits ein Foto von der Chinesischen Mauer gemacht haben. Die Pyramiden selbst können wir nicht sehen, sondern nur den Schatten der Pyramiden. Wir müssen also früh am Morgen hinausschauen, dann sind die Schatten sehr lang, und dann wissen wir, wo die Pyramiden entlang des Nils stehen. Wenn man nach Ägypten kommt, ist das ein sehr markantes Gebiet, das wir hier vom Weltraum aus leicht erkennen können. Aber die Pyramiden sind aus einem Stein gebaut, der dem Sand der Umgebung sehr ähnlich ist. Vom Weltraum aus können wir also den Unterschied zwischen dem Bauwerk und dem Sand nicht erkennen. Wir können die Pyramiden nur an ihren Schatten erkennen, und das steht noch auf meiner großen To-do-Liste. Ich bin immer noch auf der Jagd nach den Pyramiden.

Hast du das James-Webb-Teleskop vorbeifliegen sehen und konntest du ein Foto davon machen? 

Nein, als James Webb in Französisch-Guayana gestartet ist, waren wir auf der anderen Seite der Erde, also über Australien, und wir haben an Bord der ISS alle den Start verpasst. Eigentlich wollten wir den Start über das Internet mitverfolgen und wir hatten auch einen Stream hier oben von der Erde aus. Aber dann, leider, genau während der Startzeit waren wir LOS („loss of signal“), also ohne Signal. Wir hatten keine Verbindung mehr zum Boden und nur drei Minuten nach dem Start konnten wir den Funkkontakt wieder herstellen. Meine erste Frage an den Boden war dann: Wie ist es gelaufen? Ist James Webb sicher im All? Und wir haben die positive Antwort bekommen, worüber wir alle sehr begeistert waren. Nur leider haben wir den entscheidenden Moment verpasst. 

Wie hilft deine Erfahrung im Weltraum den Menschen zu zeigen, dass die Erde nicht flach ist? 

Es gibt so viele Hinweise, Videos und Messungen, dass die Erde nicht flach ist. Das konnten schon die Menschen im Mittelalter erkennen und wenn man ein Schiff vom Hafen wegfahren sieht, dann sieht man das Schiff verschwinden aber die Mastspitze von einem Segelschiff, die sieht man immer noch. Das heißt, es gibt viele Hinweise, dass die Erde nicht flach ist, sondern rund ist. Aber hier auf der ISS ist es natürlich so, dass ich das von der Cupola aus sehe und ich nehme Videos auf und ich mache Fotos. Da sieht man immer schön die Krümmung des Horizonts. Also da gibt es so viele wissenschaftliche Belege, das ist eigentlich gar keine Frage, dass die Erde nicht flach ist.  

Sind von der ISS aus Folgen des Klimawandels zu sehen? 

Also den Klimawandel kann man mithilfe von Satelliten viel besser beobachten als ich jetzt von der Raumstation, weil der Klimawandel natürlich nicht von heute auf morgen, sondern nur über Jahre zu sehen ist. Aber natürlich sehe ich, dass der Urwald brennt und ich sehe auch, dass die Polkappen oder die Gletscher, die man von hier aus sehen kann, deutlich kleiner geworden sind als sie noch auf den Karten eingezeichnet sind. Ich sehe auch, dass einige Seen, wie zum Beispiel der Aralsee in Russland jetzt komplett ausgetrocknet ist. Also man erkennt diese Folgen des Klimawandels schon, allerdings aus meiner Perspektive jetzt nicht direkt von Tag zu Tag. 

Aral Sea in Central Asia. Credits: ESA/NASA-M. Maurer

Weltraumspaziergang /Außenbordeinsatz (EVA)

Wie kann man mit dem Raumanzug atmen?

Ein Raumanzug ist wie ein kleines Raumschiff. Er ist wie ein kleiner Raum oder eine kleine Blase. Darin sind auch die Sauerstoffflaschen für einen Weltraumspaziergang. Wir haben also die Luft, die wir zum Atmen brauchen, dabei. Im Falle eines Raumanzugs für ein Raumschiff, in dem wir uns während des Starts und der Landung befinden, ist unser Anzug über ein Versorgungskabel verbunden. Das ist eine Art Schlauchverbindung und auf diese Weise wird Sauerstoff in den Anzug gepumpt. Das ist also sehr einfach.

Raumfahrt & Zukunft der Weltraumforschung

Was sind deiner Ansicht nach die wichtigsten Erkenntnisse aus der aktuellen Raumfahrt für die Menschheit?

Das ist eine sehr wichtige Frage, fast schon ein bisschen philosophisch. Offensichtlich sind wir hier oben im Weltraum, weil wir viele Experimente durchführen wollen, Experimente in der Schwerelosigkeit. Es gibt eine Menge Dinge in der Physik, Chemie und Medizin, die wir lernen können, wenn wir hier in der Schwerelosigkeit sind und diese Forschung betreiben. Aber ich glaube, dass das für viele Leute sehr kompliziert ist und dass sie nicht genau verstehen, was wir da im Detail machen. Die wichtigste Lehre für die Menschheit ist: Schaut euch an, wie die Astronauten in der Internationalen Raumstation herumfliegen, sie arbeiten zusammen, sie waren Menschen, die einen Traum hatten. So wie damals vor 30 Jahren: „Lasst uns eine Station im All bauen und jeder auf der Welt kann wissenschaftliche Ziele für diese Station vorschlagen. Wir werden Astronauten aus vielen Ländern dort hinaufschicken. Wir werden friedlich arbeiten.“ Und jetzt, da diese Station bereits seit rund 23 Jahren im Weltraum ist, können wir zeigen, dass wir als Menschen zusammen so viel erreichen können. Es gibt fast kein Hindernis, das uns aufhalten kann. Wir müssen also zusammenarbeiten, das ist die wichtigste Botschaft aus dem Weltraum. Und wenn wir Astronautinnen und Astronauten auf unseren Planeten Erde hinunterschauen, sehen wir keine Grenzen, wir sehen keine Barrieren. Es ist wie ein riesiges Raumschiff Erde, und ihr da unten seid alle Astronautinnen und Astronauten auf diesem Raumschiff Erde. Wenn ihr also zusammenarbeitet, könnt ihr für den Planeten Erde dasselbe erreichen, was wir für die Internationale Raumstation erreicht haben.

Hat sich deine Weltanschauung durch deinen Beruf verändert? 

Wenn man hier oben ist, sieht man wie dünn und wie zerbrechlich die Erdatmosphäre ist. Die sieht von hier oben fast wie eine Seifenblase aus, so ganz, ganz dünn. Da habe ich mich am Anfang total erschrocken und gedacht, wir müssen noch viel, viel, viel, viel besser auf unsere Erde aufpassen. Was wir da unten machen, das ist alles viel zu rabiat und alles was wir haben basiert darauf, dass wir die Erdatmosphäre haben, die uns schützt. Außerhalb der Erdatmosphäre sind wir im Weltall. Dort herrscht Vakuum und dort kann man nur mit einem Weltraumanzug arbeiten und überleben. Aber das ist natürlich keine Lösung für die Erde. 

Glaubst du, wir werden außerirdisches Leben finden und wo? 

Die Frage, wo dort draußen außerirdisches Leben zu finden ist, das ist die 1000 Euro Frage würde ich sagen. Aber dass es außerirdisches Leben gibt, das ist für mich fast sicher. Die Wahrscheinlichkeit, dass es das gibt, ist einfach noch viel größer als ein Sechser im Lotto und jedes Wochenende gewinnt schließlich auch irgendjemand den Sechser im Lotto. 

Was ist deine Meinung zum Thema Weltraumtourismus?  

Ich denke Weltraumtourismus ist natürlich eine zweischneidige Sache. Einerseits möchte man, dass viele Leute hochkommen und den Blick auf die Erde genießen, genauso wie ich. Das möchte ich niemandem verweigern und diese Menschen werden dann auch zu BotschafterInnen für einen besseren Umgang mit der Erde. Aber andererseits ist natürlich auch jeder Raketenstart mit Abfall oder Müll verbunden und dann muss man natürlich schauen, dass wir da einen guten Kompromiss finden. Aber ich denke in 100 Jahren ist es so normal in den Weltraum zu fliegen, wie es heute normal ist in ein Flugzeug zu steigen und dann zum Beispiel nach Spanien in den Urlaub zu fliegen.