Alexander Gerst ist seit 2009 Mitglied des Astronautenkorps der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Am 28. Mai 2014 flog er an Bord einer russischen Sojus-Rakete zum ersten Mal zur Internationalen Raumstation ISS. Bei der halbjährigen Mission Blue Dot führte er über 100 wissenschaftliche Experimente durch. Vier Jahre später startete am 6. Juni 2018 seine zweite Mission, die den Namen Horizons trägt und in deren Rahmen Alexander Gerst erneut für ein halbes Jahr an Bord der ISS lebte und arbeitete. Neben seiner Rolle als Wissenschaftsastronaut übernahm er ab dem 3. Oktober 2018 für den verbleibenden Zeitraum seiner Mission das Kommando der Raumstation. Er ist nach Frank De Winne der zweite Europäer, der diese Leitungsaufgabe übernimmt. Nach Thomas Reiter und Hans Schlegel ist Alexander Gerst der dritte deutsche Astronaut auf der ISS und insgesamt der elfte deutsche im All.
Er war einer von 8.413 Aspiranten, die sich 2008 bei der ESA für die Aufnahme ins Europäische Astronautenkorps bewarben.
Blue Dot Mission
Im Rahmen der ISS Expeditionen 40 und 41 war Alexander Gerst Bordingenieur auf der Internationalen Raumstation. Seine Mission Blue Dot dauerte vom 28. Mai bis zum 10. November 2014. Ihren Namen verdankt sie dem ersten Foto, das vom äußeren Sonnensystem von der NASA-Raumsonde Voyager 1 aufgenommen wurde. Von dem amerikanischen Astronom Carl Sagan wurde die Erde darauf als „Pale Blue Dot“ beschrieben – als blasser, blauer Punkt.
Im Rahmen der Blue Dot Mission absolvierte Alexander Gerst ein sehr umfangreiches Wissenschaftsprogramm mit Experimenten aus den Bereichen Physik, Biologie, menschliche Physiologie und Strahlungsforschung. Er führte während seines Aufenthaltes an Bord der Internationalen Raumstation Experimente durch und testete neue Technologien.
Zusätzlich war er für das Andocken des europäischen Raumfrachters ATV-5 sowie für das Anlegen der amerikanischen Dragon- und Cygnus-Versorgungskapseln zuständig.
Alexander Gerst absolvierte am 7. Oktober 2014, gemeinsam mit seinem NASA-Kollegen Reid Wiseman, einen Außenbordeinsatz (Extra Vehicular Activity, EVA) . Während des 6 Stunden und 13 Minuten andauernden Einsatzes lagerte er unter anderem eine defekte Kühlpumpe um und installierte ein neues Kabelsystem für den Greifarm.
Astronautenlaufbahn
Zusammen mit fünf weiteren Kandidaten wurde Alexander Gerst im Mai 2009 für das ESA-Astronautenkorps ausgewählt. Die Astronauten-Grundausbildung im Europäischen Astronautenzentrum der ESA in Köln (EAC) begann am 1. September 2009. Hier eignete er sich die Grundkenntnisse eines Astronauten an, die neben wissenschaftlichen, technischen und medizinischen Fähigkeiten auch Himmelsmechanik, Russisch und Überlebenstechniken umfassen.
Das Training führte ihn an die Ausbildungsstätten der internationalen Partner: NASA Johnson Space Center Houston (USA), Tsukuba Space Center (JAXA, Japan), John H. Chapman Space Centre Longueuil/Montreal (CSA, Kanada) sowie ins Gagarin Cosmonaut Training Center (Roscosmos, Moskau). Bei letzterem absolvierte er von September bis November 2010 einen Grundkurs in russischer Raumfahrttechnik. Nach erfolgreichem Ausbildungsabschluss erhielt er von der ESA am 22. November 2010 sein offizielles Astronauten-Zertifikat.
Im August 2011 wurde Alexander Gerst als Besatzungsmitglied für die ISS- Crew 40/41 benannt. Seine missionsspezifischen Vorbereitungen im Moskauer Gagarin Cosmonaut Training Center begannen im April 2012. Im November 2014 kehrte Alexander Gerst zur Erde zurück und bereitete sich neben seiner Managementfunktion (Astronaut Operations) auf seine nächste Mission Horizons mit einem ähnlichen Trainingsprogramm vor.
Horizons Mission
Die Horizons Mission ist Gersts zweiter Flug zur Internationalen Raumstation. Das Wissenschaftsprogramm sieht eine Vielzahl von Experimenten vor, die sowohl den Menschen auf der Erde zugutekommen als auch der Vorbereitung künftiger Weltraumexplorationsvorhaben dienen. Alexander Gerst ist der erste Astronaut der ESA-Astronautenklasse 2009, der zum zweiten Mal zur ISS reist.
Am 6. Juni 2018 um 13.12 Uhr MESZ brach Alexander Gerst gemeinsam mit dem Kosmonauten Sergej Prokopjew (Roskosmos) und NASA-Astronautin Serena Auñón-Chancellor im Rahmen der ISS Expedition 56/57 zur Internationalen Raumstation (ISS) auf. Sie endete mit der Landung der Crew in der kasachischen Steppe am 20. Dezember 2018.
Ab 3. Oktober 2018 bis zum Ende seiner Mission war Alexander Gerst Kommandant der Internationalen Raumstation ISS. Damit ist er der zweite ESA-Astronaut in dieser Rolle und trug damit, in Ergänzung der Aufgaben des Flugdirektors am Boden, die Verantwortung für die Sicherheit und den laufenden Betrieb an Bord der ISS. Bei Eintreten eines Notfalls oder eines eventuellen Abbruchs der Kommunikation übernimmt der ISS-Commander das alleinige Kommando. Zu den Aufgaben eines ISS-Kommandanten zählen auch Teamführung sowie Motivation und Förderung von Partnerschaftlichkeit.
Weitere Hintergrundinformationen zur Horizons Mission finden Sie in unserer Broschüre (PDF).
Ausbildung und Studium
Alexander Gerst wurde am 3. Mai 1976 in der süddeutschen Kleinstadt Künzelsau in Baden-Württemberg geboren. Er schloss 1995 das Technische Gymnasium in Öhringen bei Heilbronn mit dem Abitur ab. Schon während seiner Schulzeit engagierte er sich ehrenamtlich als Leiter der Pfadfinder, in der Jugendfeuerwehr und als Rettungsschwimmer. Nach der Schule und dem darauf folgenden Zivildienst reiste Gerst ein Jahr lang um die Welt. Anschließend studierte er in Karlsruhe und Wellington (Neuseeland) Geophysik und Geowissenschaften.
Während des Studiums entdeckte Alexander Gerst sein Interesse an der Vulkanologie und nahm im Laufe seines Studiums an mehreren wissenschaftlichen Expeditionen teil, die ihn bis in die Antarktis führten. Dabei machte er sich als angehender Vulkanologe auf seinem Fachgebiet bereits einen Namen. Er entdeckte während seiner Forschungen unter einem neuseeländischen Vulkan zeitliche Spannungsänderungen in der Erdkruste. Da diese in der Regel vor Eruptionen auftreten, stellte diese Beobachtung einen neuen Beitrag zur Vorhersage von Vulkanausbrüchen dar.
Antarktis
Die neu gewonnenen Erkenntnisse ließ Gerst in seine Diplomarbeit einfließen. In dieser untersuchte er die freigesetzten Energien und Mechanismen in den ersten Sekunden eines Vulkanausbruchs. Seine Abschlussarbeit wurde 2003 an der Universität Karlsruhe ausgezeichnet. In etwa zur selben Zeit graduierte Gerst mit einem einen Master in Geowissenschaften an der Universität in Wellington – ebenfalls mit Auszeichnung.
Von 2004 bis 2009 arbeitete er am Institut für Geophysik der Universität Hamburg, wo er in die Entwicklung neuer wissenschaftlicher Instrumente für die vulkanologische Forschung eingebunden war. Hier schrieb Gerst ab 2005 auch an seiner Dissertation über die Eruptionsdynamik des antarktischen Vulkans Mount Erebus, mit der er im Mai 2010 promovierte. Dabei führten ihn seine Forschungen erneut in entlegene Regionen in der Antarktis, Äthiopien, Indonesien und Guatemala.
Organisationen
Alexander Gerst ist Mitglied mehrerer wissenschaftlicher Organisationen. Dazu gehören:
- die International Association of Volcanology and Chemistry of Earth’s Interior (IAVCEI)
- die Deutsche Geophysikalische Gesellschaft (DGG)
- die European Geosciences Union (EGU)
- die European Volcanological Society (SVE)
- die American Geophysical Union (AGU).