Von Kilian Anton Schaaf (10)
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Stuttgarter Zeitung.
Künzelsau – Seit Wochen schaut sich der Stuttgarter Schüler Kilian jeden Abend vor dem Zubettgehen Alexander Gersts Bildband „166 Tage im All“ an. Bei einem Heimatbesuch von Alexander Gerst bekommt der Fünftklässler aus Stuttgart zufällig die Chance, sein Idol in Künzelsau zu sprechen. Ein Traum geht in Erfüllung.
Was muss ich unbedingt können, wenn ich Astronaut werden will?
Hm, Physik und Mathe sind natürlich ziemlich wichtig. Aber noch wichtiger ist, dass du neugierig bist und gut mit neuen Situationen umgehen kannst. Dass du nicht aufhörst zu lernen, nur weil du jetzt erwachsen bist. Deshalb ist es auch gar nicht so wichtig, welchen Beruf du lernst, wenn du Astronaut werden willst. Du kannst zum Beispiel Wissenschaftler sein – oder Ingenieur oder Mediziner. Oder Pilot. Du musst einfach zeigen, dass du gut bist in dem, was du machst.
Wollten Sie denn schon immer Astronaut werden?
Vielleicht sieht es so aus, als hätte ich immer darauf zugearbeitet, aber es war nicht so. Mich hat als Kind alles interessiert, was mit Natur zu tun hatte: Vulkane, Erdbeben, Stürme. Irgendwann muss man sich dann entscheiden – ich hab’ mich für Geophysik entschieden. Ich wusste aber, wenn sich mir die Chance bietet, Astronaut zu werden, versuche ich es auf jeden Fall. Für mich ist das der beste Beruf der Welt. Also habe ich mir bei jeder beruflichen Entscheidung überlegt, ob ich mir damit diese Chance verbauen würde. Und als die Esa neue Astronauten suchte, habe ich mich beworben. Es hat geklappt.
Ich hab’ mir vor Kurzem den „Marsianer“ angeschaut. In diesem Film bleibt ein Astronaut allein auf dem Mars zurück. Schauen Sie auch gern Science-Fiction-Filme?
Ich finde, der „Marsianer“ ist tatsächlich sehr gut recherchiert, und das, was da beschrieben wird, könnte tatsächlich so ähnlich passieren. Die Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, sich Details anzuschauen, und wie schwierig eine Reise zu einem anderen Planeten werden kann. Mir gefallen generell die Filme, bei denen ich mir vorstellen kann, dass es noch zu meinen Lebzeiten passiert. Einfach, weil es Lust macht, selber als Entdecker in die Welt zu gehen.
Sind Sie denn gar nicht mehr aufgeregt, wenn Sie in die Sojuskapsel steigen?
Es ist schon ein Unterschied, wenn man zum zweiten Mal fliegt. Als Astronaut wird man ständig bombardiert mit Informationen und muss entscheiden: Was ist wichtig und was nicht? Letztes Mal war für mich alles völlig neu, da habe ich mir im Zweifelsfall lieber ein bisschen mehr gemerkt. Das war anstrengend. Dieses Mal weiß ich genauer, auf was es ankommt. Das macht das Training einfacher. Aber wenn man dann am Ende auf einer Rakete mit 300 Tonnen Treibstoff sitzt, dann darf man schon ein wenig aufgeregt sein – aber auch nicht zu viel, denn man muss ja arbeiten.
Müssen Sie auch mal selber steuern?
Ja, ich sitze dieses Mal auf dem Co-Pilotensitz in der Sojus-Kapsel. Wenn mein russischer Teamkamerad Sergei ausfällt, dann muss ich das Raumschiff fliegen und alle heil zur Raumstation oder zur Erde zurückbringen. Die Ausbildung dafür dauert allein etwa ein Jahr. Und ich bin dieses Mal auch Commander der Internationalen Raumstation, das bringt viel Verantwortung mit sich, auch während des Trainings.
Freuen Sie sich? Oder haben Sie dafür gar keine Zeit?
Die Vorfreude überwiegt, denn ich weiß ja, was mich erwartet. Die Umgebung dort oben ist wunderschön. Ich freue mich zum Beispiel auf die Cupola, die gläserne Kuppel. Von dort aus hat man einen fantastischen Blick auf die Erde.
Haben Sie denn Angst, dass etwas schiefgehen könnte?
Angst, dass etwas schiefgeht, habe ich nicht. Aber man muss sich schon drauf vorbereiten, dass was passieren könnte. Wir schauen uns beim Training alles an: Was mache ich, wenn Luft entweicht? Was mache ich, wenn ein Feuer ausbricht? Was ist, wenn die Atmosphäre vergiftet wird durch ein Leck im Kühlsystem? In solchen Situationen überlegt man sich: Was ist mein Plan A, mein Plan B, mein Plan C? Das Training ist dafür da, dass man dann keine Angst hat, sondern genau weiß, jetzt muss ich das und das tun.
Wenn Sie die Wahl hätten, würden Sie lieber zum Mond oder zum Mars fliegen?
Ha, ich würde erst zum Mond fliegen und dann zum Mars! Spaß beiseite. Ich glaube, wenn ich mich für einen von beiden entscheiden müsste, würde ich wahrscheinlich lieber zum Mars fliegen. Einfach weil er noch weiter weg ist und weil er noch unbekannter ist. Und weil er früher mal so war wie die Erde. Wenn man sich da umschaut, dann sieht man, er war vielleicht mal bewohnbar. Wir wissen noch nicht, ob es da tatsächlich mal Leben gab oder nicht. Aber es hätte dort mal Leben geben können, denn es gab viel flüssiges Wasser.
Was ist da passiert?
Jetzt ist der Mars wüst und leer. Stimmt, die Frage ist: Was ist da passiert? Und wie können wir vermeiden, dass der Erde dasselbe passiert? Wir wissen das noch nicht. Und außerdem, wenn man auf dem Mars steht und bei Nacht in den Himmel schaut, dann sieht man die Erde nicht als große blaue Kugel wie von der Raumstation oder vielleicht vom Mond aus, sondern nur als winzigen blauen Punkt.
Sie ist also so klein wie ein Stern?
Ja, sie ist dann fast so klein wie der Mars, wenn du ihn hier am Himmel siehst. So sieht die Erde dann auch vom Mars aus, nur dass unser Planet dann ein bisschen bläulich schimmert, das ist alles. Stell dir mal vor, was das für ein Gefühl ist, wenn du weißt, die Erde ist dein Heimatplanet, aber der ist so weit weg, dass du ihn gar nicht mehr erkennen kannst.
Ich glaube, ich hätte Heimweh.
Ja, ich glaube, man würde sich da ganz schön alleine fühlen, und ich glaub’ auch, man würde erkennen, wie wichtig unser Heimatplanet für uns ist. Es ist der einzige Ort im ganzen Universum, an dem wir Menschen leben können. Das ist etwas, was wir vom Mars lernen können: der Blick zurück auf unsere Erde.
Kann ich denn auch noch Astronaut werden, wenn mir beim Autofahren immer schlecht wird?
(Lacht) Ja, auf alle Fälle. Mir war früher beim Autofahren auch manchmal schlecht, also das ist kein Problem.
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