Der immerwährende Strom an technischen Informationen während meines Missionstrainings, gepaart mit der Tatsache, dass ich ständig mit Kollegen zu tun habe, die entweder gerade kurz vor, während, oder kurz nach ihrem Flug zur ISS stehen, hat die Romantik ausgelöscht, die ich früher hatte, wenn ich an den Weltraum dachte, oder wenn ich Bilder von der Erde sah. Zumindest habe ich das eine Weile lang befürchtet.

Wo mein Herz früher, als ich ein kleiner Junge war, um 10 Schläge pro Minute beschleunigt hatte, wenn ich Außenaufnahmen von einer Raumstation mit der Erde im Hintergrund sah, so sah ich zu meinem eigenen Schrecken nach einem Jahr technischen Trainings nur noch Module, Funkantennen, Handläufe für Außenausstiege, Kabel, und Roboterarme. Die blaue Erde im Hintergrund habe ich noch nicht einmal mehr wahrgenommen. Schade eigentlich, dachte ich mir, aber vielleicht wohl die einzige Art und Weise für meinen Verstand, mit der umwerfenden Einzigartigkeit dieses Arbeitsplatzes fertig zu werden.

During German Space days 2013. Credit: DLR

Am Tag der Luft- und Raumfahrt. Foto: DLR

Als ich zum ersten mal eine Führung für eine Grundschulklasse übernehmen sollte, die das Europäische Astronautenzentrum EAC in Köln besuchte, war meine Sorge, ob meine technische Lethargie nicht von einem dieser neugierigen Knirpse (so wie ich es einer war) entlarvt werden würde. Doch was mich zunächst nervöser gemacht hatte als eine Vulkanexplosion aus 500 Metern Entfernung mitzuerleben, hat sich als wahrer Glücksfall für mich herausgestellt. Sobald ich das Leuchten in den Augen neugieriger Kinder sah, die in unser Trainingsmodul des Columbus Weltraumlabors kletterten, war es wieder da, das Gefühl, am größten Abenteuer der Menschheit Teil zu haben. Für die Zeit des Besuches war ich wieder einer von ihnen. Einer, der es kaum erwarten konnte, seinen Freunden von diesem großartigsten Abenteuerspielplatz zu berichten, den er jemals entdeckt hatte.

During an Erta Ale volcano expedition. Credit: A. Gerst

Während einer Vulkan-Expedition. Foto: A. Gerst

Inzwischen freue ich mich sehr auf solche Gelegenheiten, sie stellen für mich neben meinem Sporttraining das notwendige Gegengewicht zu den vielen hundert Stunden technischen Trainings dar, die zwischen mir und meiner Mission liegen. Ich bin mir im Übrigen sicher, auch jeder Blick aus dem Fenster unserer Raumstation wird meine Perspektive wieder zurechtrücken. Deshalb sehe ich es als eine meiner wichtigsten Aufgaben an, diese Perspektive einzufangen und all den neugierigen Knirpsen (jeden Alters) auf der Erde zurückzugeben.

Es ist gut zu wissen, dass die kindliche Begeisterung, die mich vor mehr als 30 Jahren auf jeden Baum hat klettern lassen, niemals versiegt ist. Und ich bin mir sicher, dass sie noch in uns allen steckt. Wer es nicht glaubt, soll doch einmal in einer wolkenlosen Nacht zum Mond aufschauen und sich vorstellen, wie es sich wohl angefühlt haben mag, als Mensch dort oben zu stehen und auf die Erde herunterzuschauen. Wenn ich das versuche, beschleunigt sich mein Herzschlag nicht um 10 Schläge – sondern um 30.

Plutarch hat einmal gesagt, der menschliche Verstand ist kein Gefäß, das aufgefüllt werden muss, sondern ein Feuer, das entfacht werden will.

 

Apollo 17 astronaut on Moon with Earth in background. Credit: NASA

Apollo 17 -Astronaut auf dem Mond mit der Erde im Hintergrund. Foto: NASA